Mai 07. 2020

Deutsches Insolvenzrecht – Die Insolvenzantragspflicht des GmbH-Geschäftsführers

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I. Einleitung

Aufgrund der aktuellen Corona-Krise und der damit verbundenen angespannten wirtschaftlichen Situation, stellt sich für viele Geschäftsführer die Frage einer möglichen, strafbewehrten Insolvenzantragspflicht sowie weiterer Geschäftsführerpflichten, die im Rahmen einer Krise zu beachten sind.

Im Folgenden soll ein Überblick über die Pflicht zur Insolvenzanmeldung, Zahlungsverbote in der Krise sowie die eingeführten Erleichterungen im Rahmen der deutschen COVID-19 Gesetzgebung gegeben werden.

II. Insolvenzantragspflicht

Geschäftsführer einer GmbH sind gemäß § 15a InsO verpflichtet, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen, wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet ist.

Wurden mehrere Geschäftsführer für die Gesellschaft bestellt, so unterliegt jeder dieser Geschäftsführer der Insolvenzantragspflicht. Eine etwaige Ressortverteilung innerhalb des Geschäftsführungsorgans entbindet den Mitgeschäftsführer nicht von einer Pflicht den jeweils anderen Geschäftsführers zu überwachen und sich gerade in der Krise ein Bild der finanziellen Situation der Gesellschaft zu machen.

Der Antrag muss unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bzw. der Überschuldung gestellt werden. Dabei ist unerheblich, ob der Geschäftsführer tatsächliche Kenntnis vom Vorliegen des Insolvenzgrundes hatte oder nicht. Schon aus diesem Grund ist ein Geschäftsführer, insbesondere bei ersten Anzeichen einer Krise, dringend gehalten, die finanzielle Lage des Unternehmens kontinuierlich zu bewerten und dies auch entsprechend zu dokumentieren.

1. Zahlungsunfähigkeit

Allgemeiner Eröffnungsgrund ist zunächst die Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO). Diese ist gegeben, wenn die Gesellschaft nicht in der Lage ist, ihre fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Hat die Gesellschaft ihre Zahlungen eingestellt, so wird Zahlungsunfähigkeit widerleglich vermutet.

Umgekehrt liegt indes bei bloßen vorübergehenden Liquiditätsengpässen noch keine Zahlungsunfähigkeit vor. Dabei geht die Rechtsprechung davon aus, dass eine solche unbeachtliche Zahlungsstockung vorliegt, wenn diese innerhalb von drei Wochen beseitigt werden kann.

In quantitativer Hinsicht geht die Rechtsprechung zudem grundsätzlich davon aus, dass eine Unterdeckung von weniger als 10% noch nicht zur Zahlungsunfähigkeit führt, es sei denn es ist bereits absehbar, dass die Liquiditätslücke die 10% Schwelle übersteigen wird. Dabei handelt es sich zwar nicht um eine starre Schwelle, ein Überschreiten führt aber auch hier zur widerleglichen Vermutung der Zahlungsunfähigkeit. Diese kann etwa dann widerlegt werden, wenn die Gesellschaft darlegen kann, dass die Liquiditätslücke in einem überschaubaren, den Gläubigern zumutbaren Zeitraum mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vollständig oder zumindest nahezu vollständig beseitigt werden wird.

Letztlich wird ein Geschäftsführer zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit eine Liquiditätsbilanz aufstellen müssen. In dieser werden nunmehr nach Aufgabe der sogenannten Bugwellentheorie, nach der kurzfristig fällig werdenden Verbindlichkeiten (Passiva II) nicht zu berücksichtigen waren, neben dem am Stichtag verfügbaren liquiden Mitteln (Aktiva I) auch kurzfristig realisierbare Aktiva (Aktiva II) sowohl den bereits fälligen Verbindlichkeiten (Passiva I) als auch den Passiva II gegenübergestellt.

Handelt es sich bei der Zahlungsunfähigkeit um einen zwingenden Grund zur Insolvenzantragsstellung, haben Geschäftsführer bei Vorliegen einer drohenden Zahlungsunfähigkeit die Möglichkeit freiwillig einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen. Eine drohende Zahlungsunfähigkeit ist gemäß § 18 InsO gegeben, wenn die Gesellschaft voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Dabei wird in der Regel ein Zeitraum von zwei Jahren betrachtet.

2. Überschuldung

Daneben ist gemäß § 19 InsO auch die Überschuldung zwingender Eröffnungsgrund. Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen der Gesellschaft nicht ausreicht, um die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu decken, es sei denn die Fortführung des Unternehmens ist überwiegend wahrscheinlich.

Ob das Vermögen der Gesellschaft ausreicht, um dessen Verbindlichkeiten zu decken, wird anhand einer Gegenüberstellung des Aktivvermögens mit den Verbindlichkeiten des Unternehmens ermittelt. Während das Aktivvermögen mit den Liquidationswerten angesetzt wird, sind auf der Passivseite jedenfalls alle gegenwärtigen Verbindlichkeiten, unabhängig von ihrer Fälligkeit, zu berücksichtigen.

Ausschlaggebend für das Vorliegen einer Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne ist daher vielfach ob eine positive Fortführungsprognose besteht. Neben dem hierfür erforderlichen Fortführungswillen der Gesellschaft bzw. ihrer Organe ist ein aussagekräftiges und plausibles Unternehmenskonzept sowie ein hieraus ableitbares Finanzkonzept erforderlich, wonach die Gesellschaft zumindest im laufenden, sowie im folgenden Geschäftsjahr zahlungsfähig ist. Der relevante Zeitraum kann dabei, abhängig von den konkreten Umständen auch durchaus länger sein. Dies insbesondere etwa dann, wenn sich erst auf längere Sicht absehen lässt, ob die Liquidität des Unternehmens langfristig wiederhergestellt werden kann.

3. Rechtsfolgen

Ist die Gesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet und stellt der Geschäftsführer den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht, nicht rechtzeitig oder nicht richtig, so macht er sich strafbar. Die Verletzung der Antragspflicht kann mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren geahndet werden.

Daneben kann sich der Geschäftsführer durch die Verletzung der Insolvenzantragspflicht schadensersatzpflichtig gegenüber der Gesellschaft sowie deren Gläubigern machen.

Hat sich eine Person innerhalb der letzten fünf Jahre der Unterlassung der Stellung eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens strafbar gemacht, so kann er nicht zum Geschäftsführer einer GmbH oder AG bestellt werden. Gleichzeitig wird die Verletzung der Insolvenzantragspflicht in aller Regel eine sofortige Abberufung des Geschäftsführers sowie eine außerordentliche Kündigung seines Anstellungsvertrages rechtfertigen.

III. Zahlungsverbot

In einer solchen Krise treffen den Geschäftsführer neben der Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags weitere, haftungsträchtige Pflichten. So ist der Geschäftsführer verpflichtet der Gesellschaft Ersatz für Zahlungen zu leisten, die er nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Feststellung ihrer Überschuldung geleistet hat, sofern diese Zahlungen nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar sind. Davon erfasst werden nicht nur Geldleistungen, sondern auch andere, vergleichbare Leistungen, die für das Vermögen der Gesellschaft nachteilig sind.

Das Zahlungsverbot greift unabhängig von einer etwaigen tatsächlichen Kenntnis des Geschäftsführers mit Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung. Das im Rahmen der Haftung erforderliche Verschulden des Geschäftsführers wird vermutet. Ein Geschäftsführer wird sich entsprechend nur in Ausnahmefällen, etwa wenn er den Insolvenzgrund trotz hinreichender Vorkehrungen nicht erkennen konnte, entlasten können.

Ausgenommen vom Zahlungsverbot sind nur solche Zahlungen, die auch ein die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns beachtender Geschäftsführer vorgenommen hätte. Damit soll es dem Geschäftsführer ermöglicht werden, den Betrieb fortzuführen, wenn eine Fortführung gegenüber der sofortigen Einstellung des Betriebes für die Masse günstiger ist oder innerhalb der Dreiwochenfrist bis zur Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ernsthafte Sanierungschancen bestehen.

IV. COVID-19 Gesetzgebung

Um Unternehmen, die infolge der COVID-19 Pandemie insolvent geworden sind oder wirtschaftliche Schwierigkeiten haben, eine Unternehmensfortführung zu ermöglichen oder zu erleichtern, hat der Deutsche Bundestag als Teil des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht das Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz erlassen.

Dieses beinhaltet zunächst eine temporäre Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 30. September 2020 mit der Option einer Verlängerung bis höchstens zum 31. März 2021. Damit soll den betroffenen Unternehmen Zeit gegeben werden, den Insolvenzgrund zu beseitigen indem beispielsweise staatliche Hilfen in Anspruch genommen oder Finanzierungs- oder Sanierungsarrangements getroffen werden.

Voraussetzung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ist, das der Insolvenzgrund auf den Folgen der COVID-19 Pandemie beruht und Aussicht auf Beseitigung der bestehenden Zahlungsunfähigkeit, etwa durch die Inanspruchnahme von staatlichen Hilfen, besteht. War die Gesellschaft am 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig, so wird vermutet, dass diese Voraussetzungen gegeben sind. Es ist zu erwarten, dass diese Vermutung nur in Ausnahmefällen wird widerlegt werden können, etwa in Fällen in denen die Insolvenzreife offensichtlich nicht auf den Folgen der COVID-19 Pandemie beruht.

Findet die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht Anwendung, so greift auch eine weitere Vermutung zu Gunsten der Geschäftsführer. So wird vermutet, dass sämtliche Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, insbesondere Zahlungen, die der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs oder der Umsetzung eines Sanierungskonzepts dienen, mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsmanns vereinbar sind. Damit wird es dem Geschäftsführer ermöglicht, Zahlungen vorzunehmen, ohne der Gefahr einer Haftung ausgesetzt zu sein.

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