Der Börsengang eines Beteiligungsunternehmens ist für Finanzinvestoren stets eine interessante Exit-Strategie. Derzeit bietet der Kapitalmarkt in Deutschland hierfür wieder Chancen. Finanzinvestoren streben im Rahmen des IPO gewöhnlich eine Platzierung wesentlicher Teile ihrer Beteiligung an. Ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 31. Mai 2011 verschärft jetzt die Haftungsrisiken von Finanzinvestoren bei solchen Aktienplatzierungen am Kapitalmarkt.

Zum Hintergrund

Im Rahmen des sogenannten dritten Börsengangs der Deutschen Telekom wurden ausschließlich Aktien der KfW (die damals mit gut 20 Prozent an der Telekom beteiligt war) am Kapitalmarkt platziert. In einer Sammelklage hatten Aktionäre in den USA Prospekthaftungsansprüche gegen die Telekom wegen angeblicher Fehler des Verkaufsprospekts geltend gemacht. Daraufhin schloss die Telekom einen Vergleich und zahlte an die Sammelkläger USD 120 Mio. Anschließend verklagte die Telekom ihre Aktionärinnen KfW und die Bundesrepublik Deutschland auf Ersatz des Vergleichsbetrags und der der Telekom für die Rechtsverteidigung entstandenen Kosten. Der BGH hat nun in letzter Instanz die Haftung der KfW bestätigt. Da lediglich Aktien der KfW platziert wurden, seien die Vorteile des Börsengangs nur der KfW zugute gekommen. Die Übernahme der Verantwortung für den Prospekt und der Haftung für Prospektfehler durch die Telekom sei eine Leistung der Telekom an die KfW, für die die Telekom keine vollwertige Gegenleistung erhalten habe. Dies sei rechtlich eine nach § 57 AktG verbotene Einlagenrückgewähr durch die Telekom an die KfW. Diese muss die KfW nun zurückerstatten. Über die genaue Höhe der Forderung muss das OLG Köln noch entscheiden. Der BGH gab dem OLG Köln außerdem auf, festzustellen, ob die Bundesrepublik Deutschland als damalige Mehrheitsaktionärin die Telekom zu der Platzierung der KfW-Aktien in den USA veranlasst hatte. Sollte dies der Fall gewesen sein, wäre die Bundesrepublik Deutschland der Telekom grundsätzlich zum Ersatz der hieraus erwachsenden Nachteile verpflichtet.

Konsequenzen für die Praxis

Als Folge des Urteils werden Finanzinvestoren künftig die Haftung für Prospektfehler im Rahmen eines Börsengangs nicht mehr ohne weiteres vermeiden oder auf das Beteiligungsunternehmen übertragen können. Es wird jeweils genau zu prüfen sein, welche der an einem Börsengang beteiligten Parteien (Emittent, abgebende Altaktionäre, Bank) in welchem Umfang im Innenverhältnis die Haftung für Prospektfehler übernehmen dürfen. Im Underwriting Agreement zwischen Emittent, Bank und abgebenden Altaktionären überträgt die Bank grundsätzlich das Prospekthaftungsrisiko im Innenverhältnis auf den Emittenten. Hierzu hat der BGH sich nicht geäußert und dies dürfte auch nach dem Urteil weiter möglich sein. Ausscheiden dürfte aber eine interne Haftungsübernahme des Emittenten gegenüber einem Aktionär, der bei dem Börsengang wesentliche Aktienpakete platziert – jedenfalls soweit dies ohne bezifferbare Gegenleistung geschieht.

Die dem Emittenten mittelbar aus einer Umplatzierung von Aktien zufließenden Vorteile (wie mehr Unabhängigkeit und Freiheit vom Großaktionär, Zugang zu neuen Aktionärskreisen) hat der BGH im Telekom-Fall nicht als ausreichende Gegenleistung angesehen. Eine angemessene Gegenleistung des Aktionärs könnte aber zum Beispiel in einer „Versicherungsprämie“ bestehen, die der Aktionär dem Emittenten für die Übernahme der Prospekthaftung zahlt. Deren Angemessenheit müsste sich danach richten, für welchen Betrag ein fremder Dritter das Prospekthaftungsrisiko übernehmen würde. Dies zu bestimmen, kann im Einzelfall allerdings schwierig sein.

Je mehr neue Aktien aus einer Kapitalerhöhung im IPO platziert werden, desto größer ist das Eigeninteresse des Emittenten am Börsengang, denn der Erlös aus der Platzierung dieser Aktien fließt dem Emittenten selbst und nicht dem abgebenden Aktionär zu. Wie die Risiken bei den häufig „gemischten“ Platzierungen zu verteilen sind, hat der BGH nicht entschieden. Denkbar wäre etwa eine quotale Verteilung nach Anteilen am Emissionserlös.

Nach der BGH-Entscheidung müssen Finanzinvestoren bei der Wahl der passenden Exit-Strategie und der Abwägung zwischen verschiedenen Exit-Möglichkeiten künftig das Prospekthaftungsrisiko verstärkt berücksichtigen. Dieses Risiko kann aber gegen angemessene Vergütung weiterhin vom Emittenten übernommen werden. Ob dies sinnvoll oder erforderlich ist, hängt auch davon ab, wie stark der Finanzinvestor sich im Prozess des Börsengangs selbst engagiert und mit eigenen Beratern an der Prospekterstellung mitwirkt.

Wenn Sie sich weiter zu diesem Thema informieren möchten, können Sie sich gern mit den Autoren Dr. Ulrike Binder und Dr. Heinrich von Bünau unter +49 69 7941 1377 in Verbindung setzen.

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