Juni 16. 2021

Wirtschaft und Menschenrechte - Deutschland verabschiedet Gesetz zur verpflichtenden menschenrechtlichen Sorgfaltspflichtenprüfung

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Am 11. Juni 2021 hat der Deutsche Bundestag das "Gesetz über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen in Lieferketten" ("Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz" oder „Lieferkettengesetz“) verabschiedet. Es verpflichtet Unternehmen dazu, Maßnahmen zu ergreifen, um Menschenrechtsverletzungen in ihren Lieferketten zu verhindern. Dies baut auf der weltweit wachsenden Dynamik für verpflichtende menschenrechtliche Sorgfaltsprüfungen auf.

Nach dem neuen Lieferkettengesetz

  • müssen Unternehmen sicherstellen, dass die Menschenrechte in ihrer gesamten Lieferkette eingehalten werden;
  • müssen Unternehmen Beschwerdemechanismen einrichten und über die Ausübung ihrer Sorgfaltspflichten berichten;
  • müssen Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern die neuen Sorgfaltspflichten ab dem 1. Januar 2023 (und Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern ab 2024) erfüllen.
  • Verstöße gegen die Verpflichtungen aus dem Lieferkettengesetz führen nicht zu einer zivilrechtlichen Haftung des Unternehmens;
  • Unternehmen, die gegen ihre Verpflichtungen aus dem Gesetz verstoßen, werden jedoch mit Bußgeldern sanktioniert, die bei Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 400 Mio. EUR bis zu 2 % des durchschnittlichen Jahresumsatzes betragen können.

Um die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte in Deutschland umzusetzen, hatte die Bundesregierung jahrelang auf freiwilliges Engagement gesetzt und den Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte verabschiedet.1 Umfragen hatten jedoch ergeben, dass das Ziel, dass 50% der Unternehmen die Verpflichtungen aus den UN-Leitprinzipien erfüllen, deutlich verfehlt wurde. Als Reaktion darauf und gemäß der Koalitionsvereinbarung hatte die Bundesregierung im März 2021 einen Gesetzesentwurf für eine verpflichtende menschenrechtliche Sorgfaltspflicht vorgelegt.

In einem ersten Schritt wird das Gesetz für Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern, zu denen auch ins Ausland entsandte Mitarbeiter gehören, gelten und Sorgfaltspflichten begründen. Das Gesetz gilt auch für deutsche Tochtergesellschaften von ausländischen Unternehmen. Ab dem 1. Januar 2024 müssen dann auch Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern die neuen Pflichten einhalten.

Die Verpflichtungen eines Unternehmens erstrecken sich auf die gesamte Lieferkette, wobei die Verpflichtungen dort verschärft werden, wo ein Unternehmen größere Einflussmöglichkeiten hat, d.h. in der eigenen Geschäftstätigkeit sowie gegenüber den direkten Lieferanten. Indirekte Lieferanten werden einbezogen, wenn das Unternehmen begründete Kenntnis von Menschenrechtsverletzungen durch den Lieferanten hat.

Die Sorgfaltspflichten eines Unternehmens nach dem Lieferkettengesetz umfassen die Analyse menschenrechtsbezogener Risiken, die Ergreifung von Maßnahmen zur Vermeidung und Minderung von Menschenrechtsverletzungen und die Einrichtung von Beschwerdemechanismen. Darüber hinaus müssen Unternehmen über ihre Sorgfaltspflichten berichten.

Das neue Gesetz deckt außerdem den Umweltschutz insofern ab, als Umweltrisiken zu Menschenrechtsverletzungen führen können. Es verlangt von Unternehmen die Einhaltung der Umweltverpflichtungen, wie sie in den im Gesetz genannten Umweltkonventionen festgelegt sind.2

Obwohl die Bundesregierung ursprünglich erwogen hatte, eine zivilrechtliche Haftung bei Verstößen gegen die Verpflichtungen aus dem Gesetz zu begründen, schließt der endgültige Wortlaut des Gesetzes eine zivilrechtliche Haftung aufgrund der Verletzung von Sorgfaltspflichten ausdrücklich aus. Allerdings ist es deutschen Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen nach dem Lieferkettengesetz gestattet, die Rechte ausländischer Kläger, die von Menschenrechtsverletzungen betroffen sind, vor deutschen Gerichten durchzusetzen. Das neue Gesetz sieht auch die Möglichkeit vor, im Falle von Menschenrechtsverletzungen eine Beschwerde bei der zuständigen deutschen Behörde einzureichen.

Das Lieferkettengesetz sieht Bußgelder vor, wenn Unternehmen ihren neuen Sorgfaltspflichten nicht nachkommen. Unternehmen mit einem durchschnittlichen Jahresumsatz von mehr als 400 Millionen Euro können bei bestimmten Verstößen mit Geldbußen von bis zu 2 % ihres Jahresumsatzes belegt werden. Außerdem können Unternehmen bei schwerwiegenden Verstößen für bis zu drei Jahre von der öffentlichen Auftragsvergabe ausgeschlossen werden.

Das Lieferkettengesetz wird am 1. Januar 2023 in Kraft treten.

Wie kann sich Ihr Unternehmen auf die kommenden Sorgfaltspflichten nach dem neuen Lieferkettengesetz vorbereiten?

Unternehmen sollten beginnen, sich auf ihre Sorgfaltspflichten vorzubereiten, indem sie:

  1. Menschenrechte in ihren Konzernrichtlinien und strategischen Planungsprozessen integrieren;
  2. offenlegen, wie Menschenrechtsaspekte in Strategien, Richtlinien und Verfahren integriert werden;
  3. eine menschenrechtliche Folgenabschätzung durchführen und verhältnismäßige Gegenmaßnahmen ergreifen; sie sollten zudem intern und extern kommunizieren, welche Maßnahmen ergriffen wurden;
  4. Beschwerdemechanismen und Speak-up-Programme einführen oder verstärken;
  5. sicherstellen, dass das Unternehmen für den Umgang mit "Krisen" gut gerüstet ist;
  6. überprüfen, ob ihr Vorstand in der Lage ist, Risiken in der Lieferkette zu adressieren; sowie
  7. die Rolle der Ressourcen und des Fachwissens der Rechts- und Compliance-Funktionen, die eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung dieser neuen Herausforderungen spielen sollten, überprüfen.

 


1 Deutscher NAP verfügbar unter: https://www.auswaertiges-amt.de/blob/297434/8d6ab29982767d5a31d2e85464461565/nap-wirtschaft-menschenrechte-data.pdf

2 Vgl. das Verbot der Herstellung von quecksilberhaltigen Produkten gemäß Artikel 4 Absatz 1 und Anhang A Teil I des Minamata-Übereinkommens über Quecksilber vom 10. Oktober 2013 (BGBl. 2017 II S. 610, 611) ("Minamata-Übereinkommen"); vgl. Das Verbot der Herstellung und Verwendung von Chemikalien gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a und Anlage A des Stockholmer Übereinkommens vom 23. Mai 2001 über persistente organische Schadstoffe (BGBl. 2002 II S. 803, 804) ("POPs-Konvention").

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